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Heute wie vor 100 Jahren

In Ruderatshofen scheint die Welt noch in Ordnung. Charmant und fast ein bisschen verschlafen zeigt sich das Dorf im Ostallgäu. Rundherum nichts als Grün: Es sind die Weiden der Bauern, die hier in der Gegend traditionell Milchvieh halten. Alte Höfe, Kirchturm, Dorfgasthof, Schule und Kindergarten, prägen den Ort, das Dorfleben funktioniert. Und mittendrin gibt es seit über 100 Jahren eine Sennerei. Klein, aber oho: Die Feinkäserei Stich produziert seit 1895 Käseköstlichkeiten – die sich heute deutschlandweit und sogar bis nach Amerika einen Namen gemacht haben.

 

Ihr Erfolg beruht auf alter handwerklicher Tradition und den sorgsam abgestimmten Rezepten, die seit vier Generationen von Familie Stich gehütet werden, nicht zuletzt auf der guten Milch, die ausschließlich von Betrieben aus dem Dorf kommt sowie vom zehn Kilometer entfernten Frankenried. Und das schon so lange, wie es die Sennerei gibt. "Die Lieferanten kenne ich alle persönlich", sagt Laurent Stich, der das Traditionsunternehmen seit dem Ende der 1990er-Jahre führt. "Es sind die gleichen Familien wie schon vor 100 Jahren."

Wo Handarbeit so richtig zählt

Zwar ticken die Uhren hier anders, doch stehen geblieben ist die Zeit nicht. Computer, Edelstahl und aktuelle Technik haben längst in der Käserei Einzug gehalten. Denn auch wenn altes Handwerk doppelt zählt, so wird doch zeitgemäß gearbeitet. Dabei treibt die Käser aber nicht der Wunsch, so viel wie möglich aus allem herauszuholen, sondern eine ganz eigene Philosophie: „Milch ist ein hervorragender Grundstoff“, erzählt Laurent Stich und betont: „Es macht einfach Spaß, dieses hochwertige Lebensmittel weiter zu veredeln.“

Zum Beispiel zu Bio-Romadur: Seinen verlockend rot-gelben Teint bekommt er während der Reifung durch Bakterien. "Die geben wir nicht zu, die haben wir im Haus", erzählt der Käsekenner bei einer Führung. Im Haus sind überall fleißige Hände am Werk: Eine 30-köpfige Mannschaft verkäst in den verwinkelten Räumen und Hallen tagtäglich um die 30.000 Liter Milch. Sie sorgen dafür, dass aus Milch der Käsebruch entsteht, dieser in die richtige Form kommt und am nächsten Tag sein Salzbad erhält. Von dort tragen sie ihn in den Reifungskeller, wo er bis zu drei Wochen lagert – allerdings nicht ohne Streicheleinheiten: Jeden zweiten Tag wird der Romadur gewendet und mit Salzwasser geschmiert. Das tut nicht nur dem Käse gut, sondern auch den Händen; der beste Beweis sind die Finger des Meisters...

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Wir wollen guten Käse machen

Wenn der Käse reif ist, erfolgt eine letzte Qualitätskontrolle und dann geht es ab in den Verkauf: in die Käseläden der Region und die Lebensmittelgeschäfte, auf Wochenmärkte und in den hauseigenen Käserei-Laden. So manches Stück reist bis nach Norddeutschland oder in die Vereinigten Staaten. Auch der Internet-Shop und die hauseigene Käse-Stube kurbeln den Umsatz an. Dabei ist Abwechslung garantiert, denn der Romadur hat sieben Geschwister: Neben Land- und Bergkäse gibt es Sorten wie Camembert, Brie, Tilsiter und Rohrkäse. Außerdem tüfteln die Käser immer wieder neue Kreationen aus, dann kommen Bärlauch, Chili und Ideen ins Spiel.

 

"Die Nachfrage ist da", sagt Laurent Stich zufrieden. Doch Wachsen und Intensivieren, das möchte er nicht. So gibt es im Haus zwar modernes Equipment, doch die ganze Mannschaft ist überzeugt: "Hier zählen die Menschen, nicht der Knopfdruck" – wieder ein Stück Philosophie. Gleiches gilt für Tier und Boden: Der Gedanke, hier das Meistmögliche herauszuholen, löst nur ablehnendes Kopfschütteln aus. "Wir schätzen den artgerechten Umgang, haben Respekt vor der Natur." Die Käser wollen "nicht extrem viel, sondern extrem guten Käse" herstellen. Dass ihnen das gelingt, zeigt so manche Auszeichnung. Die Wände im Haus tragen einige davon, von DLG-Urkunden bis zu Medaillen der Käse-Olympiade in Oberstdorf.

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