Füssen ist das Curlingzentrum in Deutschlands Süden. Daniela und Analena Jentsch spielen hier für den CC Füssen und sind gleichzeitig Teil der deutschen Nationalmannschaft. 2018 gewannen sie bei der EM in Tallin Bronze für Deutschland. Ein guter Grund, diesen besonderen Sport einmal näher kennenzulernen.
Ein wenig ungewöhnlich ist der Treffpunkt schon. „Komm einfach vorbei, wir sind dann im Kraftraum“, hatte Daniela Jentsch mir am Telefon gesagt. Und so stehe ich nun in der Eishalle in Füssen. Auf dem Eis, auf dem der EV Füssen seine Heimspiele bestreitet, drehen ein paar Schulkinder auf Schlittschuhen ihre Runden. „Gymnastikraum“ steht auf der Tür am Gang vor mir. Dahinter liegt zuerst ein dunkler Raum, doch dann entdecke ich die Tür zum Kraftraum. Von innen dringt das Klirren von Metall nach draußen. Einen Moment später sitze ich auf einem Holzkasten im Kraftraum. Mir gegenüber sitzen Daniela und Analena Jentsch.
CURLING IST IN DEUTSCHLAND IMMER NOCH EINE RANDSPORTART
Sie sind gerade nur auf Zwischenstation in Füssen, um ein wenig zu trainieren und sich bereit zu machen für eine kommende Turnierreihe in China. Zuvor waren sie sieben Wochen in Kanada und haben dort als Team Jentsch mehrere Turniere gespielt. Wären Daniela und Analena Fußballerinnen oder Tennisspielerinnen, stünde ihnen ein großer Stab aus Trainern und Physiotherapeuten zur Verfügung. Denn Daniela und Analena sind nicht nur die besten Deutschen Frauen ihres Sports, sondern gewannen bei der letzten Europameisterschaft sogar Bronze. Das Problem ist nur: Curling ist in Deutschland immer noch eine Randsportart.
Kaum ein Sport fordert den Körper so umfassend wie das Curling
Dass auch ich ein völlig falsches Bild des Sports habe, wurde mir bereits klar, als es hieß, dass wir uns im Kraftraum treffen würden. Wieso Kraftraum? Curling, dachte ich, das ist doch der Sport, bei dem die Spieler Steine mit Henkeln langsam über das Eis schieben, während die Teammitglieder mit einem Besen wild davor herumputzen, damit der Stein möglichst weit gleitet. Was hat das mit Kraft zu tun? Ich hätte nicht weiter danebenliegen können. Curling ist ein enorm athletischer Sport. Man braucht nicht nur einen besonderen Gleichgewichtssinn, sondern vor allem Kraft, Konzentration und Kondition. Kaum ein Sport fordert so sehr den ganzen Körper, wie Curling. Für professionelle Curler liegt das aktive Höchstalter nahe bei dem von Fußballern und Tennisspielern.
Sie stammen aus einer Familie von Curlern
Aber Daniela und Analena wussten, worauf sie sich einließen, schließlich stammen sie aus einer Curling-Familie. Ihr Vater wurde 1991 mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister, ihre Mutter wurde ebenfalls 1991 Europameisterin und holte 1992 sogar olympisches Gold. So war für die beiden Frauen schnell klar, dass auch sie nach der Schule eine Karriere im Curlingsport anstreben würden. Als Sportsoldatinnen können sie sich ihrem Sport nun das ganze Jahr über widmen. Das bedeutet die Teilnahme an gut zehn Events über das gesamte Jahr. Eine etwas längere Pause gibt es nur im Mai. Dann kommen Analena und Daniela nach Füssen, treffen Familie und Freunde und verbringen weniger Zeit im Kraftraum. Bis es dann wieder auf Tournee geht.
Die Curlingsteine für Wettbewerbe werden seit 1876 fast ausschließlich von der schottischen Firma Avrshire hergestellt: Dabei stammt das Rohmaterial von der nahegelegenen Insel Ailsa Craig. Wegen ihrer Seltenheit können die Curlingsteine bis zu 1300 Euro kosten.