Wie eng Tradition und Essen in der Region miteinander verbunden sind, zeigt die Oberallgäuer Kreisheimatpflegerin Ingrid Müller in einem Beitrag im dritten Band der Allgäu-Trilogie „Mensch Allgäu“. Darin spricht die Altusriederin etwa über Funkenküchle und Maultaschen.
MEHL UND KARTOFFELN ALS BASIS
„Und die ist hier wirklich sehr stark“, betont die Autorin. Zu zahlreichen Festen im Jahreskreislauf gehöre ein typisches Gericht, das meist auf Basis von Mehl oder Kartoffeln zubereitet werde. „Die Grundlagen der Allgäuer Küche waren immer bescheiden, nie überbordend“, erklärt Müller. Ganz im Gegensatz zu den Speisen, die die kreativen heimischen Köchinnen und Köche daraus zauberten und noch heute zaubern. Denn: „Trotz der großen Auswahl an Lebensmitteln in heutiger Zeit hat sich doch noch manches traditionelle Gericht erhalten“, schreibt Müller. Wie etwa die Funkenküchle, die traditionell am ersten Sonntag nach Beginn der Fastenzeit – also an dem Tag, an dem auch das Funkenfeuer entzündet wird – zubereitet werden. Bis heute wird ein Teig aus Mehl und Eiern in Schmalz ausgebacken und oft an Ständen in der Nähe des Feuers verkauft.
Die Faszination an ihrer Heimat hat Ingrid Müller nicht erst gestern gepackt. Seit 29 Jahren ist die Altusriederin Kreisheimatpflegerin im nördlichen Oberallgäu. Sie forscht, recherchiert und sammelt mit voller Leidenschaft. Zuletzt tat sie das rund um die Zusammenhänge von Brauchtum und Kulinarik in der Region. Ihr Beitrag, der anhand zahlreicher Beispiele die enge Verbindung der beiden Bereiche aufzeigt, erschien jüngst im dritten Band der Allgäu-Trilogie „Mensch Allgäu“ im Kunstverlag Schweineberg. Bebildert mit Aufnahmen der Fotografin Lala Aufsberg beschäftigt sich das Buch mit dem Lebensgefühl der Allgäuer. Ein- und Ausblicke sowie kulturgeschichtliche Hintergründe sind Themen der Kapitel, die von unterschiedlichen einheimischen Autoren verfasst wurden. Mit fundiertem Hintergrundwissen gehen sie Zusammenhängen nach, die die Region prägen. Die Verbindung von Glauben und Natur gehört ebenso dazu wie die von Heimatpflege und Identität oder eben die Verknüpfung von Brauchtum und Kulinarik.
„HERRGOTTSBSCHEISSERLE“
Auch Maultaschen gehören seit eh und je zur Allgäuer Küche und waren ursprünglich ein Gericht, dass fest in der Fastenzeit verankert war, weiß Müller. In einem gefüllten „Herrgottsbscheißerle“, wie die traditionellen Teigtaschen auch genannt wurden, ließ sich während der Zeit des Verzichts einiges verstecken – „auch Fleisch“, sagt Müller mit einem Lächeln. Die Verbindung von Tradition und Essen ist der Allgäuerin persönlich ebenfalls wichtig. „Essen vermittelt Zugehörigkeit“, betont sie und beobachtet, dass inzwischen auch immer mehr junge Leute bewusst die Verbindung zwischen Brauchtum und Kulinarik suchen. „Natürlich gibt es von vielen Gerichten auch moderne Varianten, aber ich freue mich immer, wenn die Menschen ihre Traditionen erhalten und sich auch beim Thema Kulinarik etwas rückbesinnen.“ Gerade in Zeiten von dauernd gut gefüllten Supermärkten und einer stets verfügbaren Überfülle von Lebensmitteln würden traditionelle Speisen, die mit Brauchtum verbunden sind, das Identitätsgefühl der Allgäuer stärken.