Monokultur und Artenschutz – passt das zusammen? Ja, es passt, wenn man seinen Obstanbau so gestaltet wie Familie Holland aus Bavendorf bei Ravensburg.
Seit über 30 Jahren sorgen Nistkästen, Bienenstöcke, Gewässer und Sträucher dafür, dass hier nicht nur schmackhafte Äpfel wachsen, sondern sich auch viele Vögel und Insekten wohlfühlen.
Apfelbäume bis zum Horizont: 40 Hektar, Zehntausende Bäume, Jahresproduktion 1000 bis 1500 Tonnen. Das klingt erst einmal nach einer großen Monokultur, aber Eberhard Holland winkt ab. „Im Vergleich zu konventionellen Obstbauern sind wir klein“, sagt er, während er zielstrebig durchs Gras läuft. Ein Mann in Khakihose und kariertem Hemd, schnörkellos und von gesundem Pragmatismus. Es fällt auf, dass überall zwischen den Bäumen Nistkästen hängen. Zudem haben Bio-Imker ihre Völker zwischen den Bäumen aufgestellt und Hunderte Rosenstöcke wurden gepflanzt. Aus all dem spricht die Philosophie der Hollands. Ja, der Mensch braucht Lebensmittel, aber der Mensch muss lernen, diese unter verträglichen Bedingungen zu produzieren. „Wer nur billige Preise akzeptiert, akzeptiert den Raubbau an der Natur. Wer extensiven Landbau will, muss bereit sein, mehr Geld auszugeben“, erklärt Eberhard Holland.
EIN NATURTEICH FÜR VÖGEL UND INSEKTEN
Gegründet wurde der Obstbetrieb 1934 von Herrmann Holland, der Kühe hielt und als Erster in der Region Obst anbaute. 1968 schlug der Blitz ein und Ställe, Scheunen und Wohngebäude brannten nieder. Mit dem Wiederaufbau wurde das Vieh abgeschafft und man setzte nur noch auf Obst. 1987 wurden erste Teile und 1995 schließlich der gesamte Betrieb auf Bio umgestellt. Aber die biologische Landwirtschaft hört für die Hollands nicht bei der Umstellung des Obstanbaus auf. Kern des ganzheitlichen Konzepts der Hollands ist unter anderem ein 500 Quadratmeter großer Naturteich. Seerosen, Schwertlilien und Sumpfdotterblumen bieten einen idealen Lebensraum für Bienen, Falter, Fliegen und Käfer, die hier allesamt lautstark Herumsummen und Krabbeln. Dieses Szenario lässt einen für einen Moment vergessen, dass in weiten Teilen Mitteleuropas drei Viertel aller Insekten und Insektenarten verschwunden sind. „Bislang dachten viele Landwirte, sie müssten nur produzieren“, sagen Margit und Eberhard Holland. „Doch immer größere Ernten, immer mehr Dünger, immer mehr Pestizide, das funktioniert nicht. Wir müssen alle umdenken. Ohne Artenvielfalt kolla- biert unser Ökosystem, ohne Biodiversität überlebt der Mensch nicht.“ Wie um die Worte zu unterstreichen, ertönt das Quaken einer Wildente. Gespeist wird der Teich aus Regenwasser und dem hofei- genen Brunnen. Ein Unterwasserdamm trennt den äußeren Ring in dem Schilf, das Wasser filtert vom inneren, aus dem die Apfelanlagen bewässert werden.
WIR SOLLTEN DAS WESENHAFTE DER NATUR NICHT IGNORIEREN
„Die Erde ist ein lebendiges Wesen. Wir können das Wesenhafte der Natur ignorieren, ihre Weisheit missachten. Wir können beides aber auch nutzen, uns darauf einlassen und ein tieferes Verständnis für unsere Umgebung bekommen“, erklärt Margit Holland. Und zu diesem Wesenhaften gehört es auch, den Kräften der Natur zu vertrauen. Eberhard Holland erinnert sich an die Zeit, als sie den Hof gerade auf Bio umgestellt hatten: „Ich kam damals von einem Besuch bei einem Obstbaubetrieb in den USA zurück und stellte fest, dass unsere Apfelbäume voller Läuse, Blattläuse und Blutläuse waren. Millionen von Läusen! Jetzt musst du spritzen, dachte ich.“ Aber er bezwang seinen Impuls. Wartete. Nach vier, fünf Tagen waren alle Läuse weg, – die Nützlinge hatten sie gefressen. „Wir Biobauern sind angehalten abzuwarten, aber wer keine Geduld hat, wird verrückt“, sagt Eberhard Holland. Gelernt haben die Hollands dadurch, wie das Ineinandergreifen der Natur dafür sorgt, dass es allen gut geht. Und genau diese Philosophie spiegelt sich in ihrem Obstanbau wider, indem sowohl für Bienen als auch für Vögel und viele andere Tiere und Pflanzen Platz ist.