Thomas Roth aus Überlingen

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Bio-Süßkirschen aus der Zeltstadt am Bodensee

Nur Selberpflücken ist frischer! Spätestens zwei Tage, nachdem er sie vom Baum genommen hat, liegen Thomas Roths Bio-Süßkirschen als frisches Tafelobst im Laden: "Wir pflücken nur auf Bestellung, denn die beste Lagerung für Kirschen ist auf dem Baum." Eine zweite Besonderheit beim Obstbauern am Bodensee ist neben der kurzen Lieferkette, dass er, sobald die Blüte vorbei ist, seine Bäume komplett einpackt, einen ganzen Hektar.

Seinen Hof bewirtschaftet Thomas Roth etwas außerhalb der Ortschaft Lippertsreute, die zur Stadt Überlingen im Bodenseekreis gehört. Schon seit Anfang der 1990er-Jahre kultiviert er auf knapp 25 Hektar Bio-Äpfel. Zunächst als Mostobst, vermarktet er sie seit 2007 nun als Tafelobst über den Verband "Bioland". Die Süßkirschbäume hat er zwischen 2000 und 2003 dazu gepflanzt und ab 2010 ihre Bewirtschaftung ebenfalls nach den Bioland-Richtlinien umgestellt. Im Jahr 2013 konnte Thomas Roth erstmals echte Bio-Kirschen verkaufen.

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Nur Selberpflücken ist frischer! Spätestens zwei Tage, nachdem er sie vom Baum genommen hat, liegen Thomas Roths Bio-Süßkirschen als frisches Tafelobst im Laden: "Wir pflücken nur auf Bestellung, denn die beste Lagerung für Kirschen ist auf dem Baum." Eine zweite Besonderheit beim Obstbauern am Bodensee ist neben der kurzen Lieferkette, dass er, sobald die Blüte vorbei ist, seine Bäume komplett einpackt, einen ganzen Hektar.

Seinen Hof bewirtschaftet Thomas Roth etwas außerhalb der Ortschaft Lippertsreute, die zur Stadt Überlingen im Bodenseekreis gehört. Schon seit Anfang der 1990er-Jahre kultiviert er auf knapp 25 Hektar Bio-Äpfel. Zunächst als Mostobst, vermarktet er sie seit 2007 nun als Tafelobst über den Verband "Bioland". Die Süßkirschbäume hat er zwischen 2000 und 2003 dazu gepflanzt und ab 2010 ihre Bewirtschaftung ebenfalls nach den Bioland-Richtlinien umgestellt. Im Jahr 2013 konnte Thomas Roth erstmals echte Bio-Kirschen verkaufen.

Nässe, Pilze und Bohrfliegen

Drei Probleme machen einem Kirschenbauern zu schaffen, ganz gleich, ob er konventionell oder ökologisch arbeitet: Feuchtigkeit, Fäulnispilze und die Kirschfruchtfliege, der Hauptschädling im Kirschenanbau. Im konventionellen Obstbau wird den Insekten mit chemischen Spritzmitteln begegnet. "Im Bio-Bereich dagegen gibt es kein Mittel, das gut wirksam ist", sagt Thomas Roth. Dass er sie trotzdem hat, resultiert aus langen, intensiven Überlegungen.

Die maximal zwei Millimeter große Kirschfruchtfliege macht ihrer Bezeichnung als "Bohrfliege" alle Ehre: Sie sticht Löcher in die gelben, noch unreifen Kirschen und legt unter deren Haut ihre Eier ab. Ohne Gegenmaßnahmen wird ein einmal befallener Baum immer wieder heimgesucht, da die Kirschfruchtliege als "ortstreu" gilt. Zu weiter entfernten Bäumen macht sie sich erst auf, wenn keine Früchte mehr zur Eiablage in der Nähe sind.

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Reife Kirschen sind sehr empfindlich

Die Probleme zwei und drei: Feuchtigkeit und Pilzbefall. Reife Kirschen sind empfindliche Früchte. Bekommen sie Regen ab, werden sie in wenigen Stunden unansehnlich mit bräunlichen Stellen und damit unverkäuflich. "Das Problem haben alle, konventionelle wie ökologische Obstbauern", sagt Thomas Roth: "Wenn es einen Tag regnet, ist die ganze Ernte kaputt." Wenn es hagelt, sowieso – egal, ob in die Blüte oder auf die Früchte.

"Rechnen wir optimistisch, ist der Ertrag zwei Jahre okay und ein Jahr fällt weg. In schlechten Jahren liegt der Ausfall bei 80, in guten bei 30 Prozent", überschlägt der Lippertsreuter. Seit der Bio-Umstellung kalkuliert er pro Jahr bei der Ernte mit durchschnittlich sechs bis zehn Tonnen "verkaufsfähigen Kirschen". Im konventionellen Anbau sei es bei gleicher Fläche ein Drittel mehr.

Die Anlage wird komplett eingepackt

Als Regenschutz hatte Thomas Roth seit 2004 Folien über seine Bäume gespannt, ganz konventionell. Mit der Bio-Umstellung brauchte er zusätzlich eine ökologische Abwehr gegen die Kirschfruchtfliege. Nach vielen Gesprächen mit "Bioland" und einer Spezialfirma stand als Lösung schließlich fest: "Wir müssen die Anlage komplett zu machen." Deshalb wurde 2010 die alte Überdachung durch eine neue Regenschutzfolie ersetzt, unter die zusätzlich eine Art Moskitonetz gespannt wird, sobald die Bäume verblüht sind. "Am Anfang hatten wir ein bisschen Bammel, ob das funktioniert", erinnert sich Roth. "Doch wir haben gute Erfahrungen gemacht, und ich bin mit diesem System einer der Ersten hier am Bodensee".

Folien und Netze werden von Drahtseilen getragen, die zwischen dicke Holzstangen gespannt sind, einem Hopfenfeld nicht unähnlich. Die Kirschen reifen in einer Art Zeltstadt mit langen, parallel nebeneinander stehenden Firstreihen. Die Folien reichen bis auf den Boden, damit die Kirschfruchtfliege nirgends durchschlüpft. "Der Vorteil ist ein rundum ökologischer Schutz", erklärt Thomas Roth. Als Nachteile nennt er die hohen Anschaffungskosten und den Arbeitsaufwand: "Mit dem Einpacken haben drei bis vier Mann eine Woche lang zu tun".

Wasser kommt nur dorthin, wo es gebraucht wird

Unter den Zeltdächern stehen, fast wie Spalierobst und nicht höher als fünf Meter, "zwischen 900 und 1000 Süßkirschbäume". Gezählt hat sie Thomas Roth noch nicht. Jeder einzelne wird im Frühjahr von Hand geschnitten, wozu ein Mann zwei bis drei Wochen braucht. Bei diesen Arbeiten werden außerdem die so genannten "Fruchtmumien" entfernt. Das sind Kirschen vom Vorjahr, die nicht vom Baum gefallen oder geerntet worden sind. Ihr verdorrtes Fruchtfleisch und der Kern sind nach dem Winter von Schimmel überzogen, die Sporen könnten die neue Ernte befallen. "Im konventionellen Anbau kümmert sich kein Mensch um diese Fruchtmumien. Wenn jemand liest, dass wir sie entfernen, lacht er sich kaputt. Konventionell wird gegen die Pilze einfach gespritzt", erklärt Thomas Roth – und muss selbst lachen.

Die Folien halten außerdem Blätter, Äste und Stämme trocken. In diesem Mikro-Klima finden Fäulnispilze kaum einen Nährboden. Dafür fließt das Regenwasser zwischen die Baumreihen, wo die tief wurzelnden Kirschbäume es aufnehmen. Für längere Trockenperioden im Sommer durchziehen zwar auch Wasserschläuche die Anlage, "doch wir hatten schon Jahre, in denen wir überhaupt nicht bewässern mussten", erinnert sich Roth.

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Fleißige Helfer: Wildbienen, Hummeln und ein Imker

Die Pflege der Kirschbäume umfasst aber nicht nur Baumschnitt, Bewässerung oder den Kampf gegen die Fliege. Auch die Bestäubung ist wichtig. Roth legt "großen Wert darauf, dass Bienen da sind." Deshalb kommt jedes Frühjahr ein Imker von der Schwäbischen Alb nach Lippertsreute und stellt seine Bienenkästen auf. Parallel setzt Roth auf einfliegende Wildbienen. Und er kauft Hummelvölker, "wenn die Blüte losgeht". Die verlassen zwar nach sechs bis acht Wochen die Anlage. Doch um ihre Pflege muss sich der Obstbauer nicht kümmern. Bei zehn verschiedenen Kirschsorten kann er von "ganz früh im Juni und auch noch sehr spät im Juli" Früchte ernten.

Frisch vom Baum gepflückt, liegen die Früchte schon eine halbe Stunde später in einem Kühlraum bei sieben bis acht Grad Celsius. Da das Tafelobst aber nur auf Bestellung gepflückt und schon am nächsten Morgen abgeholt wird, spart sich Thomas Roth ein großes Kühllager. Andere Obstbauern, die ihre Kirschen länger einlagern, müssen sie auf ein bis zwei Grad Celsius herunterkühlen – mit entsprechend höherem Energieeinsatz. 

Jede Bestellung wird von Hand verlesen und verpackt

Gedüngt werden die Kirschbäume mit verrottetem Pferdemist von Landwirten aus der Umgebung. "Hühner- oder Schweinemist von Betrieben mit konventioneller Tierhaltung ist auf Bio-Höfen nicht zugelassen", unterstreicht Roth. Seine Bio-Apfelbäume düngt er hauptsächlichmit Kompost. Der kann in Teilen auch aus aussortierten Kirschen bestehen, die so zurück in den Kreislauf gelangen – wenn sie nicht zu Marmelade für den Eigenbedarf verarbeitet werden. Bei jeder Bestellung werden alle Kirschen von Hand verlesen und in 500-Gramm-Schalen verpackt.

Der "Menzenhof", wie der alte Hausname lautet, ist "mindestens seit vier, fünf Generationen" in Familienbesitz. Von seinen Eltern hat Thomas Roth den Betrieb Ende der 1980er-Jahre übernommen. Ganz früher wurden auch noch Kühe und Schweine gehalten, "doch mit der Zeit haben wir uns auf den Obstbau spezialisiert".

Die Pflege ist entscheidend

Während der Ernte beschäftigt Thomas Roth bis zu 15 Saisonarbeitskräfte, ein paar weniger sind es über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten für die Pflege der Bäume. Im Winter hat er zwischen zwei und vier Mitarbeiter, denn "bei einer Bio-Süßkirschen-Anlage ist die Pflege entscheidend und auch sehr arbeitsaufwändig", resümiert Thomas Roth. Sein Wissen bezieht der Experte unter anderem auseiner landwirtschaftlichen Lehre, der anschließenden Arbeit als Obstbaugehilfe und einer Weiterbildung zum Obstbauer. 

"Das Arbeiten mit der Natur ist natürlich ein höherer Aufwand", sagt Roth im Rückblick auf ein Vierteljahrhundert als Bio-Bauer. "Aber für mich ist das viel interessanter. Wer konventionell arbeitet und ein Problem hat, ruft seinen Berater an und der sagt einem, was man spritzen muss. Als Bio-Bauer musst du selbst überlegen, wie du mit einem Problem klar kommst. Denn was bringen mir Bio-Kirschen, wenn sie nicht schön aussehen und nicht vom Kunden gekauft werden?"

Arbeit, Spaß und Experimentieren – das ist "Bio"

Jahr für Jahr hoffe er, dass sich der Arbeitsaufwand mit einem guten Preis für seine Kirschen auszahlt. Und angesichts der Kirschfruchtfliege fühle er sich manchmal, "als ob ich in einen Krieg ziehe, in dem konventionelle Landwirte mit Maschinengewehr und wir Bio-Bauern mit Pfeil und Bogen kämpfen", sagt Roth. "Aber wenn es ökologisch funktioniert, dann macht es einfach Spaß, Erfolge zu sehen. Und der Natur tut es gut."

Mit seiner eingepackten Süßkirschen-Anlage scheint der engagierte und überzeugte Obstbauer seit 2010 einen erfolgreichen "Krieg" zu führen. Sogar mit einem so großen Spaß-Faktor, dass die Arbeit in Experimentierfreude mündete: Im Frühjahr 2013 hat Thomas Roth Aprikosenbaum-Setzlinge gepflanzt. Ob das neueste Projekt gelingt, neben Äpfeln und Kirschen eine dritte Obstart in Lippertsreute wirtschaftlich zu kultivieren, darauf ist der Obstbauer in den nächsten Jahren selbst gespannt.

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